Privatklägerschaft
Die schweizerische Strafprozessordnung ermöglicht es jeder Person, die durch eine Straftat geschädigt wurde, sich als Partei am Strafverfahren zu beteiligen, indem sie sich gegenüber der Staatsanwaltschaft als Privatklägerin konstituiert. Wie in diesem Artikel näher erklärt, verfügt die Privatklägerschaft über eine Verfahrensstellung mit relativ weitreichenden Rechten, einschliesslich des Rechts, einen Anwalt beizuziehen.
Konstituierung als Privatklägerschaft
Wer in seinen Rechten durch eine Straftat direkt verletzt wurde, also etwa durch einen Betrug an seinem Vermögen geschädigt oder als Opfer durch einen Übergriff körperlich verletzt wurde, gilt als geschädigte Person. Die geschädigte Person kann mit der sogenannten Strafklage verlangen, dass die Strafverfolgungsbehörden den Täter strafrechtlich schuldig sprechen, und mit der sogenannten Zivilklage ihre mit der Straftat zusammenhängenden zivilrechtlichen Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung im Strafverfahren geltend machen (sogenannte Adhäsionsklage). Die geschädigte Person, welche erklärt, dass sie eine Straf- und/oder Zivilklage gegen die beschuldigte Person erhebt, wird zur Privatklägerin – entweder Privatstrafklägerin, Zivilklägerin oder beides – und damit zur Partei im Strafverfahren.
Die Privatklägerin tritt im Strafprozess stets nur neben den staatlichen Strafverfolgungsbehörden auf. Der Wortteil «Privat-» im Begriff Privatklägerschaft verweist dabei auf den Umstand, dass der Geschädigte private Interessen verfolgt, während der Staat – vertreten durch die Staatsanwaltschaft – im Strafprozess öffentliche Interessen verfolgt, namentlich die Verfolgung und Ahndung von Straftaten. Als Privatkläger kommen nicht nur geschädigte natürliche Personen in Frage, sondern auch etwa geschädigte Gesellschaften, Trustees und sogar fremde Staaten.
Teilnahmerechte im Allgemeinen
Im Untersuchungsstadium – also dem grundsätzlich von der Staatsanwaltschaft geführten Verfahrensteil – verfügt die Privatklägerschaft über verschiedene Teilnahmerechte. Sie kann insbesondere Akteneinsicht verlangen, Eingaben zum Sachverhalt machen, Beweisanträge stellen, an sämtlichen Einvernahmen von beschuldigten Personen und Zeugen durch die Staatsanwaltschaft teilnehmen sowie Ergänzungsfragen stellen und sich gegen eine Nichtanhandnahme, Verfahrensverschleppung oder Einstellung des Verfahrens mit Beschwerde zur Wehr setzen. Die Privatklägerschaft ist somit nicht bloss Spielball des Strafprozesses, sondern kann sich aktiv einbringen. Durch ihren Einblick in die Untersuchung und ihre Mitwirkung kann eine Privatklägerin das Ergebnis des Strafverfahrens beeinflussen und besser nachvollziehen. Dies führt zu einer grösseren Akzeptanz des Resultats und leistet so einen wichtigen Beitrag an den Rechtsfrieden.
Die Staatsanwaltschaft hat im Untersuchungsverfahren grundsätzlich sowohl belastende als auch entlastende Beweise zu erheben. Auch vor diesem Hintergrund sind die Teilnahmerechte der Privatklägerschaft wichtig. Hinzu kommt, dass die meisten Staatsanwaltschaften chronisch überlastet sind. Eine aufmerksame Privatklägerschaft kann durch ihre Intervention die Untersuchungen vorantreiben und fördern.
Entscheidet die Staatsanwaltschaft am Ende ihrer Untersuchung, dass hinreichende Beweise für einen Straftat bestehen, erhebt sie Anklage. Damit wird auch die Staatsanwaltschaft zur Partei. Im Hauptverfahren – welches vom Strafgericht geführt wird – gibt es somit drei Parteien: Die beschuldigte Person, die Staatsanwaltschaft und die Privatklägerschaft. Vor Gericht wird die Privatklägerschaft, genauso wie die beiden anderen Parteien, angehört. Sie ist zudem berechtigt, Berufung gegen einen Freispruch einzulegen.
Beizug eines Rechtsbeistandes
Strafverfahren sind komplex und stellen für Geschädigte einer Straftat eine Belastung dar. Die geschädigte Person wurde nicht nur meist unfreiwillig in eine Straftat verwickelt, womit oftmals eine traumatische Erfahrung einhergeht, sie muss in der Folge den Strafbehörden auch als Zeugin oder Auskunftsperson zur Verfügung stehen und wird erneut mit dem Erlebten konfrontiert. Gleichzeitig stellt sich ihr persönlich die Frage, auf welchem Weg sie eine Wiedergutmachung des ihr zugefügten Unrechts erreichen kann. Dabei sieht sie sich zwei hochqualifizierten Akteuren gegenüber: Dem Strafverteidiger der beschuldigten Person auf der einen Seite, dem Staatsanwalt auf der anderen. Auch damit dürften die meisten Laien überfordert sein.
In dieser schwierigen Lage benötigt die Privatklägerschaft in der Mehrzahl der Fälle einen umsichtigen Beistand, der die Fakten genau kennt und aufgrund seiner Erfahrung einen Überblick über den möglichen Verlauf des gesamten Strafverfahrens hat. Dies anerkennt auch die Strafprozessordnung, welche der Privatklägerin explizit das Recht einräumt, einen Rechtsbeistand beizuziehen und von der verurteilten Person für die sachlich gebotene Arbeit des Rechtsbeistandes eine Entschädigung zu fordern. Die Rechtsprechung anerkennt einen solchen Entschädigungsanspruch insbesondere bei schweren Straftaten, aber auch bei Opfern, die aufgrund ihres Alters oder Fremdsprachigkeit einen Anwalt brauchen.
Das Netzwerk Privatklägerschaft NPK
Die Aufgabe der Rechtsbeistände von Privatklägern ist anspruchsvoll und erfordert nicht nur umfangreiche Kenntnisse im Straf- und Strafprozessrecht sowie im Haftpflichtrecht, sondern auch praktische Erfahrung im Umgang mit Staatsanwaltschaften und Gerichten. Das Netzwerk Privatklägerschaft NPK richtet sich primär an Anwälte, welche bereit sind, gemeinsam die Professionalisierung dieses Praxisgebietes zu fördern.
Das Logo des Netzwerks, welches die Waage der Justitia mit drei Waagschalen zeigt, greift den Umstand auf, dass das Haupt- und Rechtsmittelverfahren aus den drei weiter oben bereits erwähnten Parteien besteht: Die mittlere der drei Waagschalen repräsentiert die Privatklägerschaft. Dass sie im Fokus des Netzwerks steht, hebt das Logo durch die zentrale Position und die goldene Farbe dieser Waagschale hervor. Die beiden dunkelblauen Waagschalen zur Linken und zur Rechten repräsentieren die beschuldigte Person und die Staatsanwaltschaft. Für einen funktionierenden Rechtsstaat ist es zentral, dass alle drei Parteien kompetent und effizient vertreten werden.